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BGH: Aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO folgt grundsätzlich kein Anspruch auf Abschriften der Begründungsschreiben samt Anlagen zu Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung

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BGH, Urteil vom 6.2.2024 – VI ZR 15/23 = WM 2024, 555                                                

In seinem Urteil vom 6. Februar 2024 beschäftigte sich der BGH mit der Frage, ob aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf Abschriften der Begründungsschreiben samt Anlagen zu Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung folgt.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt fordert der Kläger, welcher bei dem Beklagten privat kranken- und pflegeversichert ist, den Beklagten auf, ihm Auskunft über weitere bereits im Jahr 2016 erfolgte Beitragserhöhungen zu erteilen und ihm dabei die Anschreiben, Begründungen nebst Beiblättern zur Beitragsanpassung sowie die Nachträge zum Versicherungsschein zur Verfügung zu stellen. Anlass dafür war, dass der Kläger die vom Beklagten vorgenommenen Beitragsanpassungen in den Jahren 2018 und 2020 für unrechtmäßig hielt. Entgegen der Auffassung des vorinstanzlichen Gerichts (OLG Celle – 8 U 46/22), das dem Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Abschriften zusprach, ist der BGH der Ansicht, dass kein Auskunftsanspruch bestehe.

Auslegung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO

Das Berufungsgericht bejahte einen Auskunftsanspruch des Klägers gemäß Art. 15 DSGVO, da es sich bei den Anpassungsmitteilungen um personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO handele. Es begründet, dass es sich bei den Schreiben des Beklagten an den Kläger zwar um Standardschreiben handele, sie jedoch zumindest auch auf den konkreten Vertrag des Klägers bezogen seien.

Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung des BGH jedoch nicht stand, wodurch der vom Kläger geltend gemachte Anspruch mit der Begründung des Berufungsgerichts laut BGH nicht bejaht werden könne.

In einer nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein solcher Anspruch nicht auf Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO gestützt werden kann (BGH, Urteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 45 ff.)

Der BGH hat entgegen der Auffassung der Revision festgehalten, dass Art. 15 DSGVO in zeitlicher Hinsicht anwendbar sei. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Verarbeitungsvorgänge, auf die sich das Auskunftsersuchen bezieht, im Jahr 2016 und damit vor dem 28.5.2018 als dem Anwendungsdatum der Datenschutz-Grundverordnung ausgeführt wurden (BGH, Urteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 45 ff.). Dies wird darauf gestützt, dass das streitgegenständliche Auskunftsersuchen selbst erst nach dem Datum vorgebracht wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 22.6.2023 – C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 26).

Art. 15 Abs. 1 DSGVO gibt der betroffenen Person gegenüber dem datenschutzrechtlichen Verantwortlichen ein Auskunftsrecht über die Verarbeitung personenbezogener Daten.

Personenbezogene Daten sind gem. Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person („betroffene Person“) beziehen.

Der Begriff sei dabei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weit zu verstehen und umfasse grundsätzlich alle Arten von Informationen, die sich auf die betreffende Person beziehen.

Dies ist der Fall, wenn die Informationen aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft sind. Gemäß diesen Grundsätzen sind laut BGH Schreiben des Klägers an den Beklagten in ihrer Gesamtheit als personenbezogene Daten einzustufen. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass die personenbezogenen Informationen bereits in der entsprechenden Äußerung der betroffenen Person enthalten sind, die dem Schreiben zugrunde liegt.

Andererseits werden die angeforderten Schreiben des Versicherers an den Versicherten nur dann in ihrem gesamten Inhalt als personenbezogene Daten betrachtet, wenn sie Informationen über die betreffende Person gemäß den oben genannten Kriterien enthalten. Folglich sind auch nur die personenbezogenen Daten eines Versicherungsscheins nicht automatisch vom Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 DSGVO ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 27.9.2023 – IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 48; vgl. auch Senat, Urteil vom 15.6.2021 – VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25).

In Bezug auf die angeforderten Unterlagen des Klägers stellte der BGH fest, dass zwar einzelne Teile des Schreibens und die Anlagen personenbezogene Daten enthalten, es sich aber weder bei den Anschreiben des Beklagten selbst, noch bei den beigefügten Anlagen in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten des Klägers handelt. Vielmehr hätte der Kläger seinen Anspruch auf die in den Schreiben enthaltenen personenbezogenen Daten begrenzen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 27.9.2023 – IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 46).

Laut BGH ergibt sich auch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO kein Anspruch auf Aushändigung einer Kopie der Begründungsschreiben samt Anlagen, da er keinen weitergehenden eigenen Anspruch gewährt und nur die praktischen Modalitäten für die Erfüllung des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO festschreibe.

Anwendbarkeit alternativer Anspruchsgrundlagen

Weiterhin hat der BGH alternative Anspruchsgrundlagen geprüft. Der Auskunftsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 3 Abs. 3 VVG. Nach dieser Regelung kann ein Versicherungsnehmer nur einen neuen Versicherungsschein erhalten, wenn der alte verloren ging oder zerstört wurde. Dies betrifft jedoch nicht die von dem Kläger angeforderten Informationen wie Schreiben, Begründungen und Beiblätter.

Ebenfalls scheiden auch Ansprüche aus § 3 Abs. 4 Satz 1 VVG und § 810 BGB aus.

Zuletzt hat der BGH geprüft, ob der Kläger sein streitgegenständliches Auskunftsbegehren auf Treu und Glauben nach § 242 BGB stützen kann und dies auf Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen verneint. Bei einem solchen Anspruch handelt es sich um eine Ausnahme, wobei der Berechtigte über seine Rechte im Ungewissen sein müsse, die Informationen nicht selbst beschaffen können müsse und den Verlust der Sache schlüssig darlegen müsse. Da hierzu keine Feststellungen vorlagen, verwies der BGH den Fall an das Berufungsgericht zurück, damit dieses die zur Prüfung des Anspruchs aus § 242 BGB erforderlichen Feststellungen treffen könne.

Zusammenfassend hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO kein Anspruch auf Abschriften der Begründungsschreiben samt Anlagen zu Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung folgt.

Emily Müller

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